Lissabon - Verfallene Häuser, enge Gassen und wunderbare Aussichten

Neun Tage in einer Ferienwohnung in Belém, einem Stadtteil Lissabons, liegen nun auch schon wieder einige Tage zurück. Zack, ist man wieder mitten im Alltag!
Blick aus unserer Ferienwohnung auf die Brücke des 25. April
Lissabon! Schon auch eine zauberhafte Stadt. Aber nicht auf den ersten Blick, jedenfalls nicht auf unseren. Was ist denn hier bloß mit all den schönen Bauten passiert? Überall rieselt der Putz, lässt schemenhaft noch Reste der alten Farbe erkennen, alte Gebäude stehen zweifelsfrei leer in unterschiedlichsten Stadien des Verfalls, Fensteröffnungen und Türen zugemauert, irgendwie verwundert schauen vereinzelt Tauben aus den Löchern auf das Leben in den engen Lissaboner Straßen.
Im Altstadviertel Alfama - trotz zugemauerter Fenster wächst es auf dem Balkon, als hätte jemand es angelegt.
Auf eingefallenen Dächern wachsen verschiedenste Pflanzen, Blüten wiegen sich im leichten Wind, geben den Ruinen ein vermeindlich heiteres Gesicht. Manche wirken fast ein wenig verwunschen, wie aus einer anderen Welt, verströmen in ihrer Gesamtheit einen morbiden Charme. Daneben sieht man brach liegende Grundstücke mit vereinzelten Mauerresten und dann, plötzlich, neue architektonische Wunderwerke. Seltsam... Das ist doch eine europäische Hauptstadt, wie konnte die in einen solch verfallenen Zustand geraten?
Mitten in Lissabons Altstadtviertel Baixa - ein Haus mit wunderschönen Azulejos, das langsam verfällt...
Am Abend googlen wir ein wenig und erfahren, dass es für die beiden portugiesischen Städte Lissabon und Porto seit 1947 einen Mietpreisstop gab. Vierzig Jahre lang sind die realen Mieten also nicht gestiegen, sondern im Gegenteil, durch die hohe Inflationsrate ins Bodenlose gesunken. Bis 2006 waren die Mieterhöhungen dann auf den Inflationsausgleich begrenzt. Mangels Geld für Renovierungen verfielen zahlreiche Altstadtwohnungen. Pro Jahr stürtzten  sogar um die zwanzig von ihnen ein. Seitdem werden die Fenster - und Türöffnungen zugemauert, das führt zwar zu mehr Sicherheit, aber nicht zu mehr Wohnraum oder einem schöneren Stadtbild. Es scheint, als warte man darauf, dass die Häuser irgendwann nicht mehr zu retten sind und einstürzen, um dann teure Bürogebäude oder ähnliches darauf zu errichten. Schade eigentlich.
entspannter Biber im Ozeaneum
Nachdem wir unser erstes Wochenende auf Abwegen dem Tejo bis an den Atlantik gefolgt sind (darüber gibts einen Extrabericht), verbringen wir den Montag dann hauptsächlich im Lissaboner Ozeanarium auf dem ehemaligen Expogelände. Es regnet nämlich, und zwar nicht wenig. Alle Museen oder was sich sonst noch für einen Regentag anbieten würde, haben am Montag geschlossen. So stehen wir also gemeinsam mit gefühlt Hunderten anderer Touristen geschlagene 45 Minuten in der Warteschlange - führen ein nettes Gespräch mit den Italienern aus Rom, die hinter uns in der Schlange stehen- nur um dann festzustellen, dass ein von Menschen überquellendes Aquaqrium nicht unbedingt der Hit ist. Tatsächlich ist es interessant und ein irgendwie geisterhaft wirkender Mondfisch zieht im riesigen Becken seine Kreise, aber wir finden es nicht so überragend, wie in den Reisführern dargestellt. Vielleicht haben wir auch einfach schon zu viele Aquarien gesehen. Auch die 17 Euro Eintritt pro Person mögen dazu beigetragen haben.
Auf dem Rückweg müssen wir an der Metrostation Cais do sodré in die Tram Nummer 15 umsteigen und entdecken dabei auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Markthalle. Mercado do Ribeira steht in großen Lettern über dem Eingang. Hier findet nicht nur am Vormittag ein Fischmarkt statt, nein, hier kann man auch ganz hervorragend essen. Auf der linken Seite der riesigen Halle befindet sich nämlich der Time Out Market Lisboa. In der Mitte der Halle stehen Holztische und Stühle und eine Bar, rundherum bieten fünfunddreißig Stände hervorragendes Essen, Weine und andere Getränke an. Hier ist wirklich für jeden etwas dabei, nicht nur regionale Gerichte, Schinkenplatten und Puddingtartes, auch Sushi, Fischgerichte, Burger, Pizzen, eigentlich alles was das Herz begehrt. Je später der Abend, desto voller und dementsprechend lauter, aber auf jeden Fall einen Besuch wert. Hier findet man übrigens nicht nur Touristen, sondern auch viele Lissaboner.
Am Dienstag haben wir mehr Glück. Morgens empfängt uns strahlender Sonnenschein und erneut bringt uns die Tram Linie 15 in die Altstadt. Endstation Praça da Figueira. Auf dem Nachbarplatz, dem Praça Dom Pedro haben wir gestern in einer Art Lotterieladen unsere Chipkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel geholt. Das ist mit 6 Euro für 24 Stunden auf jeden Fall deutlich günstiger, als Einzelfahrscheine zu erwerben. Außerdem kann man diese auch für die vier spektakulären Aufzüge der Stadt nutzen, die sonst wesentlich teurer sind. Und sie sind an den Automaten der Metro immer wieder aufladbar.
Wir steigen um in die 12.  Straßenbahnlinie E 12 ist die kürzeste aller Tramstrecken, sie ist eine Ringstrecke, die nur in einer Richtung verläuft, vom Praça da Figueira hügelaufwärts nach São Tomé, dann durch Alfama, bevor sie wieder zum Praça da Figueira  zurrückkehrt. Wer sich die lange Fahrt in der überfüllten Linie 28 sparen möchte, für den ist dies Strecke eine gute Wahl. Weniger voll, aber sie führt genauso durch die engen Gassen der Altstadt und man kann live miterleben wie hier die unterschiedlichsten Verkehrsmittel auf engstem Raum miteinander klar kommen müssen.
Wir steigen am Miradouro da Graça aus. Miradouro bedeutet Aussichtspunkt und davon gibt es in Lissabon, der Stadt der sieben Hügel, einige. An diesem offerieren 2 Kioske alles was der Ausschau haltende benötigen könnte und so sitzen wir kurze Zeit später am Tisch, trinken Kaffee, der hier eher eine Art Espresso ist, und genießen die gigantische Aussicht.
Weiter gehts Richtung Castelo de Sao Jorge, diesmal mit dem Tuk Tuk, da mein leicht lädiertes Knie bergab und bergauf nicht lustig findet. Knattende Tuk Tuks findet man übrigens überall in Lissabon, sie kommen auch in den engen Gassen wunderbar voran und ermöglichen sightseeing der etwas anderen Art. Man muss nur mit dem Lärm zurecht kommen und in der Lage sein die Abgase zu ignorieren.
Das Castelo de Sao Jorge bietet eine Menge alter Steine für 8,50 € Eintritt, schließlich haben hier sowohl die Römer, als auch die Westgoten, die Mauren und die portugiesischen Könige ihre Spuren hinterlassen, bis das Erdbeben von 1755  alles durcheinander brachte. Darüber hinaus bietet es von diesem hohen Punkt aber auch eine spektakuläre Aussicht.
Wir sind also eine ganze Weile auf dem Gelände unterwegs, bis wir uns an einem speziellem Tuk Tuk einen Wein kaufen - einen "Vine with a view". Den gibt es an unterschiedlichen Stellen in Lissabon, die einen besonderen Ausblick bieten und wir haben an unserem ersten Tag bereits einen  am Torre de Belém genießen können. Wirklich fantastisch.
Von hier aus machen wir uns zu Fuß auf den Weg hinunter ins Baixa, allerdings nutzen wir zwei versteckte Fahrstühle, die den Weg etwas vereinfachen. Am Café ZamBeZe in der findet sich der Elevador Castelo, der einen bis hinunter zur Rua da Madalena bringt, die man überquert, sich kurz links hält und dann im Haus Nr. 149 den nächsten Fahrstuhl findet, der einen noch weiter hinunter bringt.
kreatives Einparken ist in den engen Gassen wohl Grundvoraussetzung

Dann ist es nicht mehr weit, bis wir die Rua Santa Justa erreichen, wo uns der Elevador de Santa Justa wieder hinauf bringt, diesmal ins Viertel Chiado, allerdings nicht ohne die in Lissabon übliche Wartezeit. Anstehen an den touristischen Sehenswürdigkeiten lässt sich auch im frühen April nicht vermeiden. Ein Schüler Gustav Eiffels hat diesen Elevator um die Jahrhundertwende geschaffen und seitdem sind hier sicher keine Neuerungen eingebaut worden. Eine Fahrt mit diesem Aufzug ist ein bißchen wie eine Zeitreise.
Elevador de Santa Justa
Zweiunddreißig Meter höher stehen wir dann vor den Resten der Igreja do Convento do Carmo. Eine Kirche ohne Dach, die wir bereits vom Castelo haben sehen können. 3,50 € kostet der Eintritt, also nichts wie hinein.
Eine eigenartige Atmosphäre in so einer dachlosen Kirche. Alle Geräusche bleiben außen vor und doch kann der Blick in den Himmel schweifen. Eigentlich scheint man einem Gott, für den dieses Gebäude einst errichtet wurde, so viel näher zu sein. Mir hat es wirklich sehr gut gefallen.
Der restaurierte Teil mit Dach beherbergt das Museu Arqueológico. Hier findet sich unter anderem auch eine Mumiensammlung aus Peru, ausgestellt in Glaskästen. Eine kurze Zeit lang habe ich in Lissabon angefangen an den Fluch der Mumien zu glauben, da sich nachfolgendes Foto irgendwie immer wieder an die erste Stelle sämtlicher Fotos schob. Ich weiß bis heute nicht warum, aber irgendwann hat es sich wieder eingereiht. Wahrscheinlich eher Tücken der Technik oder ein Bedienungsfehler, bestimmt habe ich irgend etwas angeklickt... aber irritiert hat es mich schon.
Inzwischen ist später Nachmittag, unsere Füße schmerzen und die Luft ist raus. Wir fahren mit dem Elevator wieder hinunter, übrigens ohne Warteschlange, drehen noch eine erneute Runde mit der Linie 12, einfach weil es so schön ist und die Tram auch grad nicht voll ist. 

Die Original-Wagen sind übrigens älter als mein betagter Vater, der inzwischen schon 77 Lenze zählt, spartanisch ausgestattet und einfach wunderbar. So eine Fahrt durch die Altstadt Lissabons - mit hochgeschobenen Fenstern und Blick auf Hauswände, die zentimeternah vorbeiziehen oder im Sonnenlicht  leuchtende Ziegeldächer - ist gleichzeitig auch eine Lektion in Geduld. Die Tramfahrer bewahren zu jedem Zeitpunkt Ruhe, völlig gleich, ob nun schon wieder ein geparkter Getränkelaster den Weg versperrt oder die Tram wegen anderen am Rand geparkter Fahrzeuge alle hundert Meter anhalten muss oder gar nicht vorankommt. Wir Touristen müssen den Schlüssel zu so viel innerer Ruhe wohl häufig erst noch finden.
Am Ende der Fahrt beschließen wir an einem der anderen Tage auch mit der Linie 28 zu fahren. Es muss ja einen Grund haben, das dieser inzwischen überhaupt nicht mehr geheime "Geheimtipp" in nahezu jedem Lissabonführer zu finden ist. Für heute aber ist Schluss und es geht zurück in unser schönes Apartment.





2 Kommentare:

  1. Hach, ich war auch ganz verliebt in Lissabon. Wie recht Du hast, die Schönheit findet man erst auf den zweiten Blick. Aber ich hab ja sowieso immer etwas für Verfall übrig.

    Liebe Wochenendgrüße!

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  2. Danke dir und viele Grüße zurück. Mir hat es auch gut gefallen, obwohl ich es anfänglich tatsächlich etwas befremdlich fand, da wir so viel Verfall gesehen hatten. Aber es hat schon auch seinen besonderen Charme.

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