Hamburg - Ein Spaziergang in Schweenssand, die alte Süderelbbrücke und der Billhafen

Hamburg im Winter ist grau. Und das zuverlässig viele Tage hintereinander. An den meisten grauen Tagen ist es darüber hinaus auch noch nass. In unterschiedlicher Intensität. Ganz selten schneit es mal, so wie gestern. Meist verwandelt sich die weiße Pracht aber schnell in formlosen Matsch - natürlich in grau. An absoluten Ausnahmetagen im Winter - vor allen Dingen in diesem - ist plötzlich der Himmel von einem klaren Blau und die Sonne strahlt über der schönsten Stadt der Welt. Wenn es dann noch ein Sonntag ist, gibt es kein Halten mehr. Statt vor Schreck über den ungewöhnlichen Himmelskörper förmlich zu erstarren, verlässt der gemeine Hamburger dann zügig seine Behausung, um irgendeiner Beschäftigung im Freien nachzugehen. Man weiß ja nie wie lange einem das Himmelsblau samt Sonnenschein erhalten bleibt. So auch bei uns geschehen am letzten Sonntag.
Die Idee:
Wir wollen uns mal den ältesten Baum Hamburgs angucken. Auf 1000 Jahre wird ihr Alter geschätzt. Eine Eibe, die am Neuländer Elbdeich zu finden sein soll. So steht es in dem Buch "111 Orte in Hamburg die man gesehen haben muss". Also nichts wie ins Auto und über die Elbe nach Hamburg-Neuland.
Dort angekommen stellen wir fest... diesen Ort muss man eigentlich nicht unbedingt gesehen haben. Die Eibe wirkt weder imposant noch ehrfurchtseinflößend, sie ist nicht groß, nicht weit ausladend, sie ist einfach nur unspektakulär. Alter hat halt nicht unbedingt was mit Größe oder Schönheit zu tun. Ein wenig enttäuscht machen wir uns wieder vom Acker, parken unser Auto am Deich - Mütze auf, Handschuhe an, Schal festgezogen - los gehts zu einem ausgedehntem Deichspaziergang.
Neuland liegt östlich von Harburg und damit südlich der Elbe und fühlt sich eher nach Dorf als nach Stadt an. Neu ist es auch nicht wirklich, denn schon Ende des 13. Jahrhunderts siedelten sich hier Menschen an. Wir spazieren jetzt übrigens durchs Naturschutzgebiet Schweenssand.
Die Bäume hier finde ich tatsächlich ungleich beeindruckender, obwohl die letzten Stürme den einen oder anderen komplett entwurzelt haben.
Außer einigen spielenden Kindern, die hier auf diesem verwunschen wirkenden Stück Erde noch echte Abenteuer erleben können, treffen wir nur wenige andere Menschen. Ein paar Hundebesitzer sind unterwegs, aber das war es dann auch. Schade eigentlich - also für die, die hier nicht unterwegs sind - denn es ist wirklich schön hier.
Im Sommer ist hier sicher mehr los, auf unserem Spaziergang landen wir auf einer Insel, die Heimat diverser Ruderclubs ist. Wer die Süderelbe vor der Tür hat, hat damit bestimmt ein großartiges Ruderrevier gefunden.
Nach einer Stunde sind wir ordentlich durchgefroren, zumal ein eisiger Wind weht. Also ab ins Auto und los gehts. Doch was ist das eigentlich für eine Brücke dort? Die gibt sicher ein wirklich gutes Fotomotiv ab. Wir halten an und steigen wieder aus. Natürlich mit Mütze, Handschuhen und was man sonst noch so braucht. Hach, ist das schön hier! Eine Brücke nur für Fußgänger und Radfahrer. Und obwohl heute der Himmel blau ist und die Welt um uns herum andere Farben zeigt als nur grau, gibt es die Fotos der alten Süderelbbrücke nun in schwarz-weiß. Weil sie einfach schöner sind.
Man kennt die Brücke auch unter dem Namen Alte Harburger Elbbrücke, sie wurde 1899 eingeweiht, war die erste Straßenbrücke über die Süderelbe und führt heute paralel zur A 352 über den Fluss. Für alle, die gerne Fotos machen auf jeden Fall ein genialer Fotospot.
Und davon besuchen wir gleich noch einen, allerdings gibt es hier die Fotos in Farbe. Wovon? Von dem blauen Kran im Billhafen in Rothenburgsort. Jeder, der nach Hamburg über die A255 und die Billhorner Brückenstraße hineinfährt, kann ihn auf der linken Seite entdecken. Wie ein Mahnmal rostet er dort vor sich hin, der ehemalige Löschplatz ist heute eine Industrieruine. Eine sehr fotogene übrigens.
Eine Hamburger Tageszeitung hat diesen Ort in eine Liste von Lost Places aufgenommen, aber niemand kann genau sagen wie lange dieser Platz noch "lost" ist. Die Hafencity rückt immer näher, allzulange wird hier wohl nicht mehr der Charme eines Industriedenkmals mit viel Graffiti und rostendem Metall versprüht werden. Doch noch kann man hier wunderbare Fotomotive finden und ich könnte mir vorstellen, dass bei Sonnenuntergang ein ganz besonderer Zauber über diesem Ort liegt. So lange wollen wir aber heute nicht mehr warten. Wir sind ziemlich durchgefroren. Vielleicht kommen wir an einem lauen Sommerabend - ja, die gibt es manchmal in Hamburg - noch einmal wieder und genießen den Sonnenuntergang.


Budapest bei Nacht

Nachdem ich alle Fotos noch einmal gesichtet habe, ist mir aufgefallen wie viele das beleuchtete Budapest zeigen. Tatsächlich hat Budapest bei Nacht noch einen besonderen Zauber. Um den zu erkennen, braucht es eigentlich keine Worte, sondern Bilder. Und die bekommt ihr hier jetzt. Viel Spaß damit.

Die beleuchtete Matthiaskirche

Blick von der Fischerbastei auf das Parlament

 

Blick Richtung Donau

 

Die nächtliche Fischerbastei

 

beleuchtete Metrostationen

 

Die große Synagoge im Abendlicht

 

...und noch ein wenig später...

 

Restaurant...

 

Geisterhäuser

 

Nachts im Szimpla

 

noch mehr Nachts im Szimpla...

 

...und noch mehr...

 

...ein wenig Ostern steckt in jedem Moment...


Tschüss Budapest

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Surreal




Vor einigen Jahren. Alles läuft normal. Erkennbar daran, dass sich meine Kilos wieder festsetzen. Heute ist Silvester. Die geplante Location war ausgebucht. Wir feiern woanders.  Gemeinsam mit Freunden. Stiefeln frühzeitig durch den schmutzigen, aufgetürmten Schneematsch. Um noch einen guten Tisch zu kriegen. Tischreservierungen waren nicht möglich. Angeblich.

Wir haben Glück. Ein Tisch für sechs Personen. In einer Ecke. Leider nicht am Fenster. Die sind reserviert. Komisch. Ach so, es gibt einen Rollstuhlfahrer. Niedrige Decken. Geschmückt mit Flitter und Papier. Man läuft dagegen. Wenn man durch die Räume geht.  Papierfäden streifen über die Gesichter. Musik ist noch leise. Um uns herum füllen sich die Tische. Eine Gruppe älterer Damen direkt neben uns. Keine Pappnasen. Aber auch keine Verkleidungen?

Getränke holen. Whiskey. Cola. Wasser. Caipirinha. Verteilt auf dem Tisch. Auf eine schöne Feier. Prost. Blick aus den Augenwinkeln. Auch die Plätze an den reservierten Tischen füllen sich. Eine gemischte Gruppe. Sie fotografieren. Mist. Wir haben den Fotoapparat vergessen. 

Es wird voller. Enger. Lauter. Lustiger. Die Musik wird aufgedreht. Leider ist die Box hinter unserem Tisch kaputt. Knarrt und verliert den Anschluss. Um dann wieder laut einzusetzen. Gespräche werden schwieriger. Mein Blick schweift durch den Raum. Beobachtet. Betrachtet. Die gemischte Gruppe gegenüber passt irgendwie nicht zusammen. Oder doch? Ansonsten ist unser Alter gut vertreten. Auch Ältere. Wenige junge. Tanzen?...Tanzen!

Der DJ ist am anderen Ende des Raumes. Davor eine freie Fläche als Tanzfläche. Nicht voll, aber gut belegt. Die Beleuchtung schummerig. Lichtreflexe aus verschiedenen Ecken. Blenden kurz. Wandern über die Menge. Beleuchten und tauchen erneut ins Halbdunkel. Zaubern Farbe auf Gesichter. Lächeln. Sich dem Rhythmus hingeben. Gedanken ausschalten. Tanzen.

Mein Nacken prickelt. Etwas ist seltsam. Blicke mich um. Mein Blick bleibt hängen. Eine Frau. Neben mir. Irgendwie altmodisch gestylt. Helles Top, vielleicht hellblau? Darüber eine gerade fallende Bluse, dunkel. Eine Hose oder einen Rock? Ich erinnere mich nicht. Haare leicht lockig, brünett im Zwielicht. Gestuft bis zum Ansatz der Schultern. Mit Perlenkette. Und Perlenohringen? Ein Bild steigt in mir hoch. Ich kann es nicht fokussieren. Weckt eine Erinnerung. Die Frau ist groß. Größer als ich. Was nicht häufig vorkommt. Für eine Frau sind die Schultern breit...Naja, meine Schultern sind auch breit.

Ich drehe ihr den Rücken zu. Versuche den Gedanken zu verscheuchen. Er setzt sich fest. Kann man ihn wegtanzen? Um mich herum Menschen. Tanzend. Mal blau, mal rot, mal gelb beleuchtet. Es ist warm. Mir ist heiß. Das Ganze ist irgendwie surreal. Das kann nicht sein...

Drehe mich erneut um. Da ist sie noch. Mustere sie verstohlen. Und tanze dabei weiter. Automatisch. Die Musik nicht wirklich hörend. Ihr Gesicht. Schon irgendwie weiblich. Mund und Nase, ja. Brille, o.k. Augenfarbe? Sieht irgendwie falsch aus. Augenbrauen? Anders, aber möglich. Das Gesicht ist schmaler. Haare? Nach Perücke sieht es nicht aus. Beiße mir auf die Lippe. Hallo? Was denke ich da? Das kann nicht sein. Ich werde schwachsinnig.

Sie tanzt weiter. Verhalten. Nicht mit vollem Körpereinsatz. Glaube ich. Blickt in eine andere Richtung. Meine Augen wandern in ihren Ausschnitt. Wenig Busen. Bedeckt. Kein Ansatz zu sehen. Könnte man so herrichten. Ich schließe die Augen. Das Bild steigt wieder auf. Im Internet. Ein Foto. Er. Mit Handtasche. Perücke. Und Perlenkette. Ich hatte einen Scherz vermutet. Kann es sein?

Verdränge das ganze. Es ist Silvester. Ich will mich nicht verrennen. Bin schließlich nicht allein hier. Wir wollen gemeinsam feiern. Die Musik wird schlechter. Rückkehr an den Tisch. Trinken. Lachen. Irgendwie ist das alles nicht real. Ich bin da, aber auch nicht da. Es ist heiß. Fächel mir Luft zu. Mit der Getränkekarte. Die Gespräche erreichen mich nicht wirklich. Während mein Blick über die Menge wandert. Ist sie irgendwo? Ist er irgendwo? Was??

Musik wandert in mein Ohr. Das ist gut. Das ist tanzbar. Lenkt vom Denken ab. Arbeiten uns durch die Papierschlangen bis zur Tanzfläche. Schlängeln uns an im Weg stehenden Körpern vorbei. Da ist sie wieder. Tanzt. Sieht mich an, als ich vorbeigehe. Erwartungsvoll? Nein, bestimmt nicht! Ich glaube es nicht. Will es nicht glauben. Zweifel. Glaube es irgendwie doch. Passen würde es. Zu allen Informationen. Die ich zusammengestalkt habe. Warum hier? Warum jetzt? Meine Haare sind zu kurz. Zu viele Kilos. Die alle mal weg waren. Da habe ich ihn nicht getroffen. Es ist immer noch wichtig. Ihn zu beeindrucken. Schau, was aus mir geworden ist...

Er ist es nicht. Er ist es bestimmt nicht. Ich treffe ihn als Frau. Auf einer Silvesterparty. So ein Schwachsinn. Meine Phantasie geht mit mir durch. Hallo, kann mir jemand sagen, wo ich die Realität finde? Schweiß läuft mir in den Nacken. Hitze. Viele Menschen in niedrigen Räumen. Die kleinen Fenster sind beschlagen. Man kann nicht mehr hinaussehen. Wasser rinnt an ihnen herab. Lichter streifen mich. Entlassen mich wieder ins Dunkle. Ich muss etwas trinken. Zurück an den Tisch.

Da ist sie wieder. Da ist er wieder? Lächelt mich an. Lächelt mich an? So ein Unsinn. Lächle ich zurück? Ich weiß es nicht. Fülle den Caipirinha mit Wasser auf. Trinke. Als würde ich verdursten. Das ist alles nicht richtig hier. Mein Blick bleibt hängen. Am Nachbartisch. Da sitzt sie. Direkt gegenüber. In der gemischten Gruppe. Im Gespräch. Mit einer anderen Frau. Streicht sich mit der Hand die Haare aus dem Gesicht. Eine typisch weibliche Geste.  Es erinnert mich an... An was? Das letzte Kaffeetrinken. Er fragt, ob er rauchen könne. Zündet sich die Zigarette an. Hält sie. Irgendwie weiblich. Es war befremdlich. Damals.

Unsinn. Das ist eine Frau. Da passen typisch weibliche Gesten. Versuche mich auf unseren Tisch zu konzentrieren. Lache. Spreche. Und trinke dabei. Rotwein. Vielleicht finde ich die Wahrheit darin. Mein Blick bleibt aber immer am Nachbartisch hängen. Was ist das für eine Gruppe? Keine Pärchen. Jedenfalls nicht offensichtlich. Die Männer auf der einen, die Frauen auf der anderen Tischseite. Zufall? Das Alter schwer zu schätzen. Lauter Schwule? Mit unterschiedlichen Neigungen? Die sich auch gerne mal als Frau verkleiden? Oder eine sein wollen? Alles Männer? Nein, das kann nicht sein.

Einer dreht sich um. Blickt mich an. Direkt. Irgendwie böse. Hat er meine Gedanken gespürt? Oder hat ihm jemand etwas erzählt? Über mich? Das ganze wird seltsam. 

Mitternacht. Der Discjockey hat vergessen die Zeit vorzugeben. Egal. Wir zählen eigenmächtig. Prost Neujahr. Wieder ein neues Jahr. Umarmungen. Küsse. Gute Wünsche. Alles strömt nach draußen. Es stockt vor der Tür. Ich bleibe im Eingang stehen. Alleine. Draußen ist es zu laut. Zu kalt. Zu eng. Die Nacht wird surreal. Zieht an mir vorbei. Kann nicht wirklich sein. Gehe zurück an unseren Tisch. Versuche die Kinder zu erreichen. Besetzt. Na klar, wie immer Silvester! Es gib auch noch ein Mitternachtsbuffet. Etwas essen. Weiter trinken. Doch es wirkt nicht. Zwei aus unserer Gruppe verabschieden sich. Wir sind nur noch zu viert. 

Müdigkeit macht sich breit. Nicht bei mir. Aber bei meiner Begleitung. Wir sitzen am Tisch. Unser Gespräch plätschert dahin. Ich bin am Nachbartisch. Eigentlich. Beobachte. Sie. Oder ihn. Ich weiß es nicht. Kann er es sein? Mein Blick ist fest. Auf sie gerichtet. Auf ihn gerichtet. Er schaut nicht auf. Ist im Gespräch. Oder in Gedanken?

„Sebastian ?!“ tönt es von links. Der Herr an der Stirnseite, tiefe Stimme. Keine Reaktion.

„Herr Dräger!“

Habe ich das jetzt wirklich gehört? Meine Ohren? Sind die zuverlässig? Oder hören die nur was sie hören wollen? Kann man Halluzinationen mit den Ohren haben? Ist das hier real? Oder Wunschdenken? Würde ich mir so etwas wünschen? 

Habe den Anschluss verloren. Meine Augen fressen ihn auf. Versuchen die Bilder in Übereinstimmung zu bringen. Kann sein. Kann nicht sein. Ich bin mir nicht sicher, ich bin mir nicht sicher, ich bin mir nicht sicher... Er schaut nicht auf. Traue ich meinen Ohren? Wenn die Augen unsicher sind? Ich habe Fieber. Bestimmt! 

Wir brechen auf. Die Begleitung ist müde. Meine Augen ruhen auf ihm. Auf ihr? Bis wir durch die Tür sind. Er sieht nicht her.

Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Ich kann nicht schlafen. Die ganze Nacht nicht.
















Budapest

Was erwartet man von einem Budapestbesuch Ende Oktober? Also, wir dachten an strahlende Herbsttage, klare Luft und die in der Sonne funkelnde Donau. So ein Städteurlaub wie aus dem Katalog halt. Hat nicht ganz geklappt! Die ungarische Metropole hat sich wettermäßig an den allgemeinen mitteleuropäischen Trend des Jahres 2017 angepasst und sich die meisten Tage unseres Aufenthaltes in mittel- bis dunkelgrau gehüllt und mit Nässe nicht gegeizt. Doch Budapest kann gerne versuchen seine Reize zu verstecken, so ganz gelingt das auch in grau gehüllt nicht. Was wir besucht haben? Was wir empfehlen können? Das folgt nun...
Unsere Ferienwohnung liegt im Burgviertel und so können wir die Matthiaskirche zu Fuß erreichen, zehn Minuten, diverse Treppenstufen und wir sind da. Übrigens tatsächlich noch bei Sonnenschein an unserem Ankunftstag. Absolut sehenswert ragt der gotische Turm dieses Wahrzeichen 72 Meter in den noch blauen Himmel und die Mischung aus Früh-, Spät,- und Neogotik, gekrönt von einem bunten Ziegeldach ist nicht nur von außen imens beeindruckend.
Im 19. Jahrhundert versuchte man die mittelalterliche Wandbemalung im Inneren der Kirche zu rekonstruieren, ergänzt durch individuelle Muster und eigene Interpretation, ich persönlich finde das ganze wirklich gelungen. Allerdings kann ich keine Aussage darüber treffen, wie historisch stilecht das nun ist. Den Sissi-Fans unter euch sei gesagt, dass hier die offiziele Krönung von Kaiser Franz-Josef und seiner berühmten Angetrauten zum König und Königin von Ungarn stattfand.
Direkt neben der Matthiaskirche befindet sich die Fischerbastei.
Auch diese dürfen wir noch im Schein der abendlichen Budapester Sonne genießen, und zwar sogar ohne Jacke!
Aussehen tut die Fischerbastei wie eine mittelalterliche Festungsanlage, aber da täuscht sie den Betrachter. Gebaut wurde sie von 1899 bis 1902 und ist eigentlich mehr ein dekoratives Element in Verbindung mit der Matthiaskirche. Allerdings ein durchaus gelungenes, das einen grandiosen Ausblick auf die Donau und das gegenüberliegende Donauufer samt imposanten Parlamentsgebäude ermöglicht.
Das Parlamentsgebäude...
Zu diesem gigantischen Gebäude, das das ungarische Parlament beheimatet, haben wir während unseres Aufenthaltes eine ganz besondere Beziehung entwickelt. Und ich kann nicht wirklich behaupten, dass es eine gute Beziehung geworden ist. Das liegt nicht an dem, was das ungarische Parlament so verabschiedet - obwohl auch das meist nicht meine Zustimmung finden würde - sondern an den Hürden, die man bewältigen muss, wenn man dieses Parlament besichtigen will. Und das wollen wir. Dieses Gebäude soll 268 Meter lang, 123 Meter breit und 96 Meter hoch sein, 691 Räume, 27 Eingänge und 20 Kilometer Treppen beheimaten, ein Gebäude der Superlative also, natürlich wollen wir es besichtigen. Doch wir finden einfach nicht zueinander. Tickets gibt es nur über eine Internetseite, jegymester.hu, heißt sie und wir tun unser möglichstes, nur mit der Bezahlung klappt es trotz Kreditkarte einfach nicht. Macht ja nichts, denken wir, kaufen wir die Tickets halt vor Ort. Aber Pustekuchen, das ist stets nur für den aktuellen Tag möglich, wenn noch Tickets über sind. Und das Parlament grad nicht tagt. Trotz 5 Tagen Aufenthalt wird es einfach nichts mit uns und dem Parlament. So bleibt das Innere dieses Gebäudes für uns vorerst ein Mysterium. Vielleicht müssen wir noch einmal wiederkommen.
Doch es gibt ja noch jede Menge anderer Gebäude in Budapest. Die Große Markthalle zum Beispiel. Bei Regenwetter bietet die sich auf jeden Fall an. Aber natürlich nicht nur bei Regenwetter. Kulinarisch kann man sich hier auf jeden Fall komplett eindecken und bei dem Grau außerhalb der Halle erfreut sich das Auge an all den Farben, Düften und Geschmackskomponenten, die sich hier finden. Übrigens sind hier nicht nur Touristen unterwegs, sondern auch die Budapester kaufen hier ein.
Im oberen Teil der Halle findet sich ein ziemlich überfülltes Restaurant und die typischen ungarischen Souvenirs, die man nicht essen kann und die ich freundlich ausgedrückt nur als etwas aus der Zeit gefallen bezeichnen kann. Wer bitte kauft solche Spitzendeckchen oder Häkelblusen?
Bleiben wir bei den Gebäuden und begeben uns ins jüdische Viertel. In die große Synagoge. Es regnet wie aus Eimern, als wir dort ankommen, glücklicherweise haben wir in der U-Bahn von einem findigen Verkäufer noch einen Schirm erworben, sogar einen mit Durchblick.


Es dauert eine Weile, die mit bunten Regenschirmen dekorierte Schlange am Eingang ist lang. Aber unsere Geduld wird belohnt, denn das Innere der Synagoge ist nicht nur beeindruckend wie die gesamte Architektur des Gebäudes, sondern wir können auch noch an einer kostenlosen deutschen Führung teilnehmen. Wir erhalten eine Menge Informationen rund um den jüdischen Glauben und die Geschichte der Synagoge und des Stadtteils. Und über die Verfolgung und Vernichtung während der Nazizeit. Es befindet sich außerdem ein Friedhof für die jüdischen Märtyrer des Budapester Getthos im Garten der Synagoge, was, wenn ich es richtig verstanden habe, eigentlich nicht üblich oder erlaubt ist im jüdischen Glauben. Doch die vielen tausend Toten mussten irgendwo beigesetzt werden, so wurden hier damals zwei Massengräber geschaffen. Es ist für mich immer wieder schwer vorstellbar, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun können.
Am meisten beeindruckt auf dem Gelände der Synagoge hat mich aber die weinende Trauerweide, ein Denkmal für die Opfer des ungarischen Holocaust. Die Blätter sind kleine Metalltäfelchen, auf denen die Namen jüdischer Opfer des Faschismus eingraviert sind. Jedes Blatt ein toter Mensch. Zahllose nicht gelebte Träume, begrabene Hoffnungen und Wünsche. Sachte bewegen sie sich im Wind, schlagen leise klingend aneinander, glitzernde Regentropfen bleiben an ihnen hängen, fallen schließlich zu Boden. Ein wirklich angemessenes Mahnmal.
Das jüdische Viertel in Budapest - eigentlich richtig Elisabethviertel - hat uns nicht nur überrascht, sondern auch wirklich gut gefallen. In den engen Straßen und Gassen existieren orthodoxe jüdische Synagogen direkt neben angesagten Bars und Cafés. Es gibt Restaurants mit leckerem Essen, koschere Lokalitäten liegen durchaus auch mal neben libanesischen Restaurants. Das ganze wirkt irgendwie richtig multikulti und es scheint, dass ein friedliches Miteinander der unterschiedlichsten Lebensstile möglich ist. Ein hoffnungsvoller Stadtteil!
Hier liegt auch das Szimpla, wo wir während unseres Aufenthaltes mehr als einmal eingekehrt sind. Das Szimpla ist die Mutter aller Abbruchklubs. Marode, teilweise halb verfallene Altbauten wurden vor ihrem Abriss zwischenvermietet an Gastronomen oder Künstler. Manche davon haben sich so etabliert, dass sie schon seit Jahren laufen. So wie das Szimpla.
Hier finden Märkte statt, es gibt Konzerte, Kinoabende, diverse Bars und alles was man sich von einer quirligen Begegnungsstätte wünscht. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.
Genauso beeindruckend wie die weinende Trauerweide auf dem Gelände der großen Synagoge ist übrigens ein weiteres Mahnmal, das man am Donauufer unterhalb des Parlamentes findet: das Holocaust-Mahnmal. Es ist ganz schlicht, vielleicht grad deshalb aber auch so eindringlich, besteht nur aus wie zufällig platzierten Schuhen aus Gusseisen. Welche Bedeutung hinter diesem Mahnmal steckt?
Hier am Donauufer wurden zum Ende des 2. Weltkrieges viele Juden einfach hinterrücks erschossen, die Leichen fielen in den Fluss, das Wasser der Donau sollte sie hinfortspülen. Zuvor aber mussten sie noch ihre Schuhe ausziehen. So stehen hier nun sechzig Paar Schuhe einsam am Ufer und erinnern uns daran was Menschen anderen Menschen antun können. Regen zum Nachdenken an. Lassen uns sprachlos und traurig zurück.
Natürlich sind wir aber auch anderweitig nicht nur innerhalb von Gebäude unterwegs. Seltene Augenblicke bescherren uns sogar einzelne Sonnenstrahlen.
An einem leicht bewölkten Morgen haben wir uns deshalb zu Fuß aufgemacht ins Burgviertel zum königlichen Palast, müssen aber schon an der Matthiaskirche einen ordentlichen Regenschauer abwarten, bevor es weiter gehen kann.

Der Eingang zum königlichen Palast sieht aus wie ein Eingang zum königlichen Palast, sonst haben die Gebäude aber wohl schon bessere Zeiten gesehen. Im Inneren befinden sich das historische Museum Budapests, die  Nationalgalerie und die Nationalbibliothek, wovon man letztere nicht besichtigen kann. Die anderen sparen wir uns auch und genießen stattdessen lieber die schöne Aussicht, während wir durch die Gärten wieder zur Donau hinabschlendern. Man kann auch die Standseilbahn dafür nutzen, aber gegen die Kälte hilft dann doch eher Bewegung. Glücklicherweise regnet es nicht.
Auf unserem Weg hinab treffen wir dann auch noch auf die Kavalerie...
Und weil wir heute so gut im rauf und runterklettern sind, nehmen wir gleich den nächsten Hügel in Angriff, der uns hinauf auf den Gellertberg bringt. Hier oben gibt es eine Zitadelle, eine Freiheitsstatue, die nicht nur ein wenig an monumentale Figuren aus der Sowjetzeit erinnert, sondern genau so eine ist, und ganz viel Aussicht. Die wäre sicher mit Sonnenschein noch viel schöner, aber da haben wir leider keinen Einfluß drauf.
Apropos monumentale Figuren... Da gibt es in Budapest doch so einen Park, der genau diese ausstellt. Nämlich der Memento Park. Der liegt am Rande Budapests und wir brauchen mit dem Bus von der Haltestelle újbuda központ eine ganze Weile bis wir dort sind. Tatsächlich sieht es hier nicht mehr nach Stadt aus, hier ist außer dem Park so gar nichts.
Als wir ankommen begrüßt uns Lenin von seinem hohen Sockel und dunkle Wolken hängen drohend über dem Park. Doch wir lassen uns nicht beirren, zahlen an der Kasse - die uns zurückversetzt in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts -  unseren Eintritt und begeben uns mit Schirm bewaffnet auf das Gelände. Hier sind sie wieder alle. Die fast vergessenen Helden der Sowjetzeit. Hoch ragen sie in den dunklen Himmel, wahrscheinlich nicht ahnend, dass sie längst Geschichte sind.
Ein Besuch lohnt sich, obwohl weniger zu sehen ist als wir erwartet haben. Doch die Atmosphäre ist sehr speziell und hier wird in keiner Weise heroisiert, sondern mit Fingerspitzengespür präsentiert.
Natürlich haben wir noch jede Menge mehr besucht. Den Heldenplatz zum Beispiel.
Zwischen zwei Regenschauern auf dem Weg zur Burg Vajdahunyad, jenem seltsamen Bauensemble, das irgendwann Ende der Achtzehnhundertneunziger zu einer Landesausstellung entworfen, sämtliche in Ungarn auffindbaren Baustile vereinigt. Eine Art Disneylandburg, die dabei durchaus ihren Charme hat.
Wir waren oft und gerne mit der Budapester Metro unterwegs, die nicht nur häufig ziemlich tief und in kurzen Abständen fährt, sondern auch über Rolltreppen verfügt, die uns rasant in die Tiefe bringen und mir das Gefühl geben, unsere Hamburger Rolltreppen befinden sich mehr oder weniger im Zustand des Stillstands. Einige Bahnhöfe und Zugwagons vermitteln dabei den Eindruck vor mindestens hundert Jahren in der Zeit stehen geblieben zu sein.
Wir haben gerne oft und reichlich gegessen. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir dabei einmal das Paprika in der Nähe des Heldenplatzes und die konyvbar im jüdischen Viertel.
Wir haben den Westbahnhof gesehen, der das vornehmste Mc Donalds Restaurant Europas beherbergt, waren im Opernhaus, sind ganz viel Straßenbahn gefahren und haben in den Metrostationen tatsächlich noch dem einen oder anderen übrig gebliebenen "Zigeunermusiker" lauschen dürfen. Ja, ich weiß, die Bezeichnung ist politisch sicher nicht korrekt, aber Romamusiker ist absolut nicht gängig. Davon scheint es übrigens nicht mehr viele zu geben in Budapest. Bei unserem ersten Besuch Anfang der Neunziger waren diese tatsächlich allgegenwärtig, überall hörte man die fast klagenden Klänge der Geigen. Scheinen verstummt zu sein, warum weiß ich nicht...
Vielleicht hat euch diese kleine Auswahl an Möglichkeiten Lust gemacht Budapest selber zu besuchen. Macht das! Ich wünsche euch ganz viel Spaß dabei.